Bund der Steuerzahler irrt sich
Der Bund der Steuerzahler hat in verschiedenen Presseveröffentlichungen die Haushaltsdaten von Kommunen des Kreises Offenbach bewertet. Die vom Steuerzahlerbund gezogenen Schlüsse veranlassen mich als Kämmerer der Stadt Mühlheim am Main hierzu Stellung zu nehmen.
Vorneweg sei gesagt: Es steht dem Steuerzahlerbund selbstverständlich frei, Haushaltsdaten unterschiedlichster Art miteinander zu vergleichen. Allerdings sollte man dann vorsichtig sein mit der Interpretation der Ergebnisse und erst recht mit der Ableitung, dass nur die Kommune, die vom Bund der Steuerzahler mit der Schulnote 3 oder besser bewertet wird, solide wirtschaftet. Die Seriosität pauschaler Aussagen ohne Gewichtung der Zahlen selbst, wage ich als städtischer Kämmerer dann doch in Zweifel zu ziehen.
Der Bund der Steuerzahler bewertet in seinem Kommunalen Finanzanalysesystem die Haushaltsdefizite, die vorhandenen Schulden, die Personalausgaben, die Zinsausgaben, die gesetzlichen Rücklagen, die Hebesätze für Steuern und den Konsum der einzelnen Kommunen. Die Daten der Städte und Gemeinden sind nur vordergründig miteinander zu vergleichen, was ich nachfolgend an Beispielen aufzeige:
Schuldenstand/Zinsaufwendungen
Die Stadt Mühlheim am Main hat in der angesprochenen Analyse die niedrigste pro Kopfverschuldung je Einwohner, nämlich € 549. Die an zweiter Stelle liegende Kommune folgt mit € 724. Das entspricht einer um 32 Prozent höheren Verschuldungsquote. Das Schlusslicht liegt mit fast plus 440 Prozent bei € 2.960,-. Beim Schuldenstand und den davon abzuleitenden Zinsaufwendungen liegt Mühlheim am Main also mindestens im guten Mittelfeld der bewerteten Kommunen.
Rücklagen
Aufgrund der Einführung der Doppik im Jahr 2009 löst Mühlheim im Haushaltsplan 2008 ihren gesamten Rücklagebestand von rd. € 2 Millionen auf. Die Rücklage wird zur teilweisen Abdeckung des Fehlbetrages aus dem Jahr 2005 in Höhe von rd. € 2,4 Millionen verwendet. Die Auflösung der allgemeinen Rücklage wird beim Übergang von der Kameralistik zur Doppik von Fachleuten empfohlen.
Haushaltsdefizite
Es ist richtig, dass Mühlheim am Main für 2008 ein Haushaltsdefizit in Höhe von rd. € 2,9 Millionen ausweist. Nach derzeitigen Erkenntnissen wird die Stadt Mühlheim unter Ausnutzung aller möglichen Einsparpotentiale sowie durch höhere Steuereinnahmen in 2008 einen ausgeglichenen Jahresabschluss erreichen.
Konsum / Personalausgaben
Für die kommunale Daseinsvor/- und fürsorge wendet Mühlheim erhebliche Haushaltsmittel auf, was sich u. a. deutlich in den hohen Personalkosten widerspiegelt. Allein die Personalkosten für die Kindertagesstätten liegen jährlich bei € 3,76 Millionen und machen damit fast ein Drittel aller Personalkosten der Stadt Mühlheim am Main aus. Mühlheim betreibt selbst sieben städtische Kindertageseinrichtungen. Neben den 468 Kindergartenplätzen und 222 Hort- und Krippenplätzen unterhält und betreibt die Stadt zwei Sporthallen, zehn Sportplätze, ein Jugendzentrum, fünf Seniorenheime sowie ein Bürgerhaus. Zudem unterstützt die Stadt sieben weitere Kitas in konfessioneller oder freier Trägerschaft mit rd. € 1,5 Millionen. Diese Kosten finden sich jedoch nicht bei den Personalkosten, sondern bei den Sachkosten.
Ich habe gerade diese HH-Kennzahlen ausgewählt, denn Daseinsvor-/ und -fürsorge will bezahlt werden. Allerdings hat die Gemeinde, die vom Steuerzahlerbund als beste Gemeinde im Kreis Offenbach mit einer 1,9 bewertet wurde, weder eine eigene Kindertageseinrichtung, auch kein Jugendzentrum, ebenso wenig Seniorenheime, kein Bürgerhaus, dafür betreibt sie auch nur zwei Sporthallen und lediglich vier Sportplätze. Ich bin der Ansicht, dass eine vernünftige Bewertung ohne Gewichtung und Kommentierung der Zahlen nicht möglich ist. Wer alles mit allem vergleicht, vergleicht lediglich Äpfel mit Birnen.
Hebesätze
Für dieses sehr hohe Niveau der kommunalen Ausstattung in Mühlheim am Main ist es jedoch erforderlich entsprechende Einnahmen zu generieren, was sich bei der Stadt Mühlheim am Main in vergleichbar hohen Steuerhebesätzen (Grundsteuer, Gewerbesteuer) niederschlägt. So wurde uns von der Kommunalaufsicht mit der Genehmigung des Haushaltes 2008 bestätigt, dass die Stadt Mühlheim am Main zwar nach den Kriterien des Gemeindefinanzausgleichs als finanziell leistungsschwach einzustufen ist, dennoch wurde die permanente Aufgabenerfüllung der Stadt Mühlheim am Main für ihre Bürger nie in Zweifel gezogen. Im Gegenteil: Für unsere Bürger können wir eine Vielzahl von freiwilligen Leistungen vorhalten. Die Beliebtheit des Wohnstandorts Mühlheim zeigt sich seit Jahren in stets steigenden Einwohnerzahlen. Mühlheim ist gerade auch wegen der aufgezeigten Daseinfürsorge ein sehr beliebter Wohnort. Wir als Stadtverwaltung arbeiten in einem kontinuierlichen Prozess immer wieder an der Balance zwischen nachgefragten Leistungen und tragbaren Kosten. Hierzu maßgeblich beigetragen haben die Maßnahmen des laufenden Haushaltssicherungskonzeptes 2006-2010, in dem auch eine Hebesatzerhöhung der Grundsteuer B im Jahre 2007 von 300 auf 320 Prozentpunkte erfolgt ist. Weiterhin wurde uns bestätigt, dass die in der Ausgangslage der Stadt Mühlheim am Main vergleichweise moderate Verschuldung, die sich durch langjährigen Verzicht auf neue Kreditaufnahmen ergibt, überaus positiv entwickelt und als vorbildhaft zu bezeichnen ist.
Zur grundsätzlichen Sinnhaftigkeit der angewandten Analyseart durch den Steuerzahlerbund sei noch erwähnt, dass z. B. eine Kommune im Kreis Offb. mit einer pro Kopf Verschuldung von € 912 (Mühlheim 549) hierfür jedoch nur einen jährlichen Aufwand für Zinsen von lediglich € 1.000,- ausweist (Mühlheim € 470.000). An dieser Stelle frage ich mich, welche Zahlen legt der Bund der Steuerzahler für die Bewertung hier zugrunde?
Als Kämmerer von Mühlheim am Main stelle ich ganz sachlich fest, dass die Finanzlage der Stadt nicht rosig ist, noch nie war und vermutlich nie sein wird. Mühlheim hat aus dieser Erkenntnis gelernt und baut die in Jahrzehnten aufgetürmten Schulden seit dem Jahr 2000 kontinuierlich ab. Seit nunmehr acht Jahren liegt die Neuverschuldung der Stadt Mühlheim bei Null. Die pro Kopf Verschuldung ist von 1999 von € 639 auf € 549 in 2008 zurückgegangen. Berücksichtigt man nun, dass das HH-Defizit von 2008 mit € 2,9 Millionen, in die Schulden eingerechnet ist, aber nicht kommt, so hat Mühlheim nur noch eine pro Kopf Verschuldung von € 454.
Mich persönlich ärgert, dass der Bund der Steuerzahler alle Kommunen, die nach diesem Äpfel und Birnenvergleich mit der Schulnote 3,0 und schlechter bewertet werden, als Kommune mit unsolider Haushaltsführung bezeichnet. Dies halte ich im hohen Maß für unprofessionell, unsachlich und unseriös.
Als Kämmerer stelle ich abschließend fest, dass Mühlheim eine solide und seriöse Haushaltsführung hat, wie uns dies Jahr für Jahr durch die Kommunalaufsicht bei der Haushaltsgenehmigung und durch die Prüfer des Kreises Offenbach bestätigt wird.