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Lärmverteilung zu Lasten des Kreises Offenbach befürchtet

„Eine Neubelastung der südlichen Region von Frankfurt sollte nicht Ergebnis des Fluglärmgipfels sein und so vor allem den Kreis Offenbach und Neu-Isenburg zusätzlich belasten.“

 

Auf diese Forderung haben sich der Landrat des Kreises Offenbach, Oliver Quilling, der Bürgermeister von Neu-Isenburg, Herbert Hunkel (parteilos) sowie die Bürgermeister von Heusenstamm, Peter Jakoby (CDU), von Rodgau, Jürgen Hoffmann (SPD), von Mühlheim, Daniel Tybussek (SPD), und von Obertshausen, Bernd Roth (CDU) verständigt.

 

Sie kündigten an, einer „zusätzlichen einseitigen Belastung des Kreises Widerstand entgegenzusetzen“. Denn das Maß sei voll, die Geduld der Menschen am Ende, so der Landrat. Schließlich trage Neu-Isenburg seit Öffnung des Flughafens für die zivile Nutzung vor 60 Jahren die Hauptlast des Lärms. „Allein 70 Prozent der Anflüge gehen über Neu-Isenburg runter“, so der Landrat. „Schon im Mediationsbericht aus dem Jahr 2000 war ein Anti-Lärm-Paket und ein Nachtflugverbot als gleichberechtigter und vom Ausbau untrennbarer Teil festgeschrieben worden.“

 

Neu-Isenburg hat in diesen zehn Jahren regelmäßig den Fluglärm messen lassen. Dabei wurden für einen Standort im Westend ein Summenpegel (Tag und Nacht; Ldn) für die 6 verkehrsreichsten Monate ermittelt, der in den einzelnen Jahren zwischen 63 und 66 dB(A) schwankte.

 

In Neu-Isenburg und im Kreisgebiet wird hauptsächlich die Masse der Anflüge auf das Parallelbahnsystem (Betriebsrichtung 25) als Belästigung wahrgenommen. Wenn aber über längere Zeit in Richtung Osten gestartet wird (Betriebsrichtung 07) führe das bei den Bürgerinnen und Bürgern zu extremen Lärmbelastungen, macht Quilling deutlich. „Durch die lautstarken und in kurzen Abständen startenden Jets kam es im letzten Jahr mit häufigen und langen Ostwindwetterlagen zu einer Beschwerdewelle.“

 

Eine weitere Belastung von Neu-Isenburg sei nicht hinnehmbar, betonte auch der Bürgermeister der Stadt, Herbert Hunkel.  „Mit Unbehagen und Enttäuschung denken wir an die letzten Jahre zurück, in denen Neu-Isenburg eine der stärksten Fluglärmbelastungen der Region aushalten musste, ohne dass diese Tatsache die Landesregierung gerührt hätte. Wir werden den Vorschlag der Lärmverschiebung nicht akzeptieren und uns mit allen Mitteln dagegen wehren. Wir fordern stattdessen die Einführung von Lärmobergrenzen mit einer dynamischen Deckelung. Eine Forderung, die von Fachleuten schon lange erhoben wird.

 

Hintergrund der parteiübergreifenden Initiative sind die Ergebnisse des Fluglärmgipfels zwischen der Hessischen Landesregierung und der Luftverkehrsseite zur Minderung des Fluglärms in der Region. Dort war angedacht worden, die Flieger künftig statt über Frankfurt mit anschließenden Flug über Oberursel und Bad Homburg auf einer Route nördlich von Neu-Isenburg sowie dem Kreis Offenbach starten zu lassen. So wird unter den kurzfristigen Maßnahmen des Lärmgipfels für den Herbst 2012 eine Verlagerung der Flüge auf der Abflugroute 07-N kurz auf die Route 07-N lang vorgeschlagen. Im Jahr 2013 soll dann der Verkehr von Route 07-N kurz auf die neu zu schaffende Route 07-N ultralang verlegt werden.

 

Hunkel: „Übersetzt heißt das nichts anderes, als dass Frankfurt entlastet wird - dort führte 07-N kurz zurzeit nämlich hin, und dass alle diese Starts ab Herbst 2012 zusätzlich nördlich von Neu-Isenburg und den Kreis Offenbach hinwegdonnern sollen.“ 

 

Auch in der Stadt Heusenstamm stößt diese Ankündigung auf Unverständnis. „Anscheinend sind die Bürger des Kreises Offenbach im Vergleich zu Frankfurt und dem Hochtaunus Bürger zweiter Klasse“, macht Heusenstamms Bürgermeister Peter Jakoby seinem Unmut Luft. Die Besonderheit für Heusenstamm sei zudem, dass die Stadt mittlerweile nicht nur bei Westwetterlage Fluglärm aushalten müsse. "Bei Ostwetterlage starten Flieger ja auch über Heusenstamm", so Jakoby. „Eine zusätzliche Belastung von Flügen, die bis jetzt über andere Städte gehen, werden die Bürger nicht mehr hinnehmen.“ Für diesen Fall kündigte Jakoby „eine Protestwelle“ an. 

 

In Rodgau teilt man diese Bedenken. „Das, was jetzt passiert, macht einen schon stutzig und sehr, sehr nachdenklich“, so Bürgermeister Jürgen Hoffmann. Hier werde eindeutig mit zweierlei Maß gemessen. Deswegen erwecke die Ergebnisse des Lärmgipfels außer Freude auch ein gewisses Misstrauen. Hoffmann: „Wenn nämlich der Lärm nicht durch dringend notwendige  Lärmobergrenzen schon bei der Entstehung gestoppt wird, bleibt als zweitrangige Maßnahmen nur die Lärmverteilung. Und wenn diese Lärmverteilung dann auch noch ungleich erfolgt, wird mit der Gesundheit der betroffenen Menschen gespielt!“   

 

Das sieht auch der Mühlheimer Bürgermeister Daniel Tybussek so. „Die Belastungen haben mit der neuen Landebahn auch in Mühlheim hörbar zugenommen. Eigentlich sind die Bürger an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Bei mir hat vor allem die Klage des Landes gegen das Nachtflugverbot für Unverständnis gesorgt. Und ich kann jetzt schon sagen: Mühlheim wird den Fluglärm auf Dauer nicht klaglos hinnehmen. Hier geht es schlicht um den Erhalt von Lebensqualität in unserer Stadt!“

 

Diese Sorge treibt auch den Obertshäuser Bürgermeister Bernd Roth um. „Mein größter Wunsch ist, dass das Nachtflugverbot bestätigt wird. Ansonsten stehen die Bürger hier auf den Barrikaden!“ Darüber hinaus kündigte Roth den entschiedenen Widerstand seiner Kommune an, sollte Obertshausen noch weiter belastet werden. „Wir werden eine ungerechte Lösung nicht einfach schlucken, soviel ist klar!“, machte Roth unmissverständlich deutlich.

 

Zwar sei es zu begrüßen, dass die Verantwortlichen die schon in der Mediation verabredeten Maßnahmen des aktiven und passiven Schallschutzes wie leisere Flugzeuge und steilere Anflugwinkel endlich verbindlich angehen wollen, doch sei es beispielsweise versäumt worden, eine Lärmobergrenze festzuschreiben, ergänzte Landrat Oliver Quilling. Die Bürger könnten deshalb weiterhin nicht planen, was auf sie zukomme.

 

Quilling: „Durch das Fehlen einer definitiven Lärmobergrenze ist schlicht nicht gewährleistet, die Zunahme des Fluglärms in der Region zu begrenzen. Denn laut Studien erwartet die Luftverkehrswirtschaft jährliche Zuwächse in Deutschland von fünf Prozent. Nur eine Lärmobergrenze bietet vor diesem Hintergrund effektive Anreize, leiseres Fluggerät einzusetzen und intelligente Flugverfahren zu entwickeln.“

 

Dem pflichtet auch Herbert Hunkel bei. Er ist jedoch mit dem Gesamtpaket des Lärmgipfels unzufrieden. „Die positiven Wirkungen der nun beschlossenen Veränderungen - wie größere Anflughöhen – sind auf das weitere Umfeld des Flughafens beschränkt“, stellt Hunkel klar. Für die stark belastete direkte Nachbarschaft brächten sie gar   nichts.

 

„Die Stadt Neu-Isenburg kann deshalb keine zusätzliche Belastung mehr hinnehmen“, so der Neu-Isenburger Bürgermeister abschließend. „Wir fordern, dass Lärmminderungsmaßnahmen nie auf Kosten schon hoch belasteter Menschen geplant oder gar verwirklicht werden dürfen. Gesundheit muss vorgehen. Wir werden deshalb alle weiteren Schritte zur Lärmminderung genau beobachten. Maßnahmen, die Neu-Isenburg zusätzlich belasten, werden wir Widerstand entgegen setzen.“